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Songcontest Klingende Grundrechte: Preisverleihung am Vorabend des Jubiläums in Bonn

Zum 75-jährigen Geburtstag des Grundgesetzes schrieb der Landesmusikrat NRW einen Songcontest aus, der dazu aufrief, Textteile des Grundgesetzes zu vertonen und einzuspielen. Es waren alle musikalischen Genres und Besetzungen zugelassen, die sich per Video- oder Audioaufnahme den kritischen Ohren einer entsprechend breit aufgestellten Jury präsentierten.

Nun, am 22.5.2024, dem Vorabend des Verfassungsjubiläums, konnten die prämierten Stücke dem interessierten Publikum vorgetragen werden. Dies geschah im Haus der Bildung, zusammen mit dem Literaturhaus Bonn, welches in Kooperation mit dem Generalanzeiger Bonn einen ähnlichen Wettbewerb für die Literaturszene initiierte. Die Moderation übernahm Eva Luise Roth vom Landesmusikrat NRW, die auch für die Planung und Durchführung des Songcontest verantwortlich war.

Der Saal im Haus der Bildung war gut gefüllt, als Dr. Almuth Voß, die Leiterin des Literaturhauses Bonn, die Gäste begrüßte. Sie freute sich über die große Bandbreite der Einsendungen des Textwettbewerbs „Der Souverän Volk ist gefragt“ und wies auf das Grundgesetz als Longseller hin, welcher bereits in 53. Auflage verkauft wird, was zeigt, wie wichtig das Grundgesetz weiterhin ist.

Im Anschluss bedankte Frau Prof. Christine Siegert sich ihrerseits für die vielschichtigen Einsendungen des Songwettbewerbs „Klingende Grundrechte“ und die Möglichkeit, die Prämierung der Sieger in Bonn, dem Gründungsort der Verfassung, feiern zu dürfen. Als Präsidentin des Landesmusikrats NRW fühlt sie sich insbesondere Art. 5 des Grundgesetzes verbunden, in dem die Meinungs- und Kunstfreiheit verankert ist.

Kai Pfundt, Leiter der Wochenendredaktion des Bonner Generalanzeigers, berichtete von seiner Begeisterung, als die ersten Ideen zum Textwettbewerb an ihn herangetragen wurden, so dass er gerne seine Bereitschaft zur Mitarbeit gab. Vom Erfolg dieses Projekt war er sofort überzeugt.

Der abwechslungsreiche und kurzweilige Abend sollte ihm recht geben:

Die erste Interpretin, Iris Lamouyette, war indisponiert und konnte somit nicht live auftreten, stattdessen wurde ihre Video-Einreichung für den Songcontest eingespielt, die sich mit den Artikeln Menschenwürde, Gleichheitsgrundrecht, Meinungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung widmete. Sehr interessant, wie sich diese spröden Worte in solch schriller und expressiver Weise vertonen ließen.

Melanie Grabowy beschrieb in ihrem Text „Opas Zeitung“, der auf einer tatsächlichen Geschichte beruht, einen denkwürdigen Tag ,  als der Großvater am Abendbrottisch in der Familie aus der Zeitung vorlas und berichtete, dass Deutschland nun ein Grundgesetz hat und es damit nicht mehr zu Denunziationen aufgrund einer geäußerten Meinung kommen kann.

Im Anschluss trug Volker Schiewer aus Ostwestfalen mit seiner Square Neck Dobro Guitar in Begleitung von Kontrabass und Gitarre seine Gedanken in seinem Musikstück mit dem schlichten Titel „Grundgesetz“ vor. Das Publikum ließ sich, insbesondere durch den eingehenden Refrain, gerne zum rhythmischen Fußwippen animieren.

In einem ernsten Text beschäftigte sich Harald Gesterkamp damit, dass das Grundgesetz nicht zuletzt auch auf den Menschenrechten fußt und dass diese globalen Werte leider bis heute immer noch nicht überall gelten und gelebt werden und dass das Grundgesetz Deutschland in dieser Frage in die Pflicht nähme.

Nicht minder ernst wies die Juristin Sabine Thomas auf den Widerspruch von Artikel 3 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ zu den gesetzlich verankerten Normen im Bürgerlichen Gesetzbuch in den 1950er Jahren und darüber hinaus hin, die es den Frauen nicht erlaubten, ohne Zustimmung des Ehemannes eine Arbeit aufzunehmen, eigene Bankkonten zu führen etc. Noch eklatanter die bis in die 1990er Jahre geltenden richterlichen Entscheidungen in Bezug auf die ehelichen Pflichten der Frau und Vergewaltigung in der Ehe.

Durch den mitreißenden Vortrag der jüngsten Teilnehmerin des Songcontests „Eine Fee“, Mitglied des Landesjugendchors NRW, ließ sich das Publikum jedoch gerne wieder aus seinen ernsten Gedanken reißen und applaudierte begeistert zum vorgetragenen Rap-Song zu Art. 79. Satz 3, Ewigkeitsklausel.

Der Vortrag von Dr. Wolfgang Schneider-Barthold stellte sich die Frage, ob 75 Jahre Grundgesetz ein Grund zum Feiern sind. Er verweist darauf, dass das Grundgesetz nicht mehr gelebt wird und dass es durch andere Gesetze ausgehöhlt wird. In Dialogform als Gespräch zwischen dem Grundgesetz und einer zweiten Person werden die Sichtweisen dargestellt und es wird gefragt, wie das Grundgesetz seine wichtige Bedeutung wiedererlangen kann und ob es selbst dazu beitragen kann.

Marcus Scheltinga steuerte im Songcontest das Stück „Hollow Sphere“ bei, welches sich mit den Artikeln 116 (Deutscher im Sinne des GG, Einbürgerung Vertriebener) sowie 1 (Menschenwürde), 3 (Gleichheitsgrundsatz) und 5 (Kunstfreiheit) beschäftigt. In einem berührenden Vortrag von Mustafa Zekirov wurden diese Grundgesetzartikel als Sprechgesang in Romanes, der Sprache der Sinti und Roma, dargebracht. Damit wurde sicherlich vielen Zuschauern bewusst, dass wir es hier zwar mit der deutschen Verfassung zu tun haben, diese jedoch auch tiefe Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat, die hierher eingewandert sind.

Ein letzter Textvortrag stammte von Annika Hartmann, die sehr eindrücklich darstellte, wie sie in Bonn ihr Politikstudium aufnahm, wie ihre Mitstreiter zu Freunden wurden, sie das Grundgesetz in allen seinen Facetten kennen- und schätzen gelernt und wie sie sich, trotz all ihrer Unterschiedlichkeit, auf verschiedene Weise politisch engagierten und auch heute noch gerne ins Grundgesetz schauen oder ihren Kindern etwas daraus erklären. Politiker sind sie allerdings nicht geworden.

Den Abschluss gestaltete der Kinderchor des Aalto-Theaters Essen, der sich auf sehr amüsante Weise mit Art. 1 (Menschenwürde) sowie Art 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) beschäftigt. Der Chor konnte leider nur per Video-Aufnahme präsentieren, da Wochentag und Uhrzeit es nicht erlaubten, die Kinder- und Jugendlichen nach Bonn zu holen. Nichtsdestotrotz konnte der Chorleiter Patrick Jaskolka sich über den Applaus des Publikums sehr freuen.

Der Abend zeigte eine gelungene Mischung aus Text- und Musikbeiträgen und es war eine wunderbare Kooperation zwischen Literaturhaus Bonn und Landesmusikrat NRW. Im Hintergrund begleitet wurde das Ganze von Tuba Tuncak, die Interviews mit den Texter:innen und Musiker:innen führte, die Veranstaltung beobachtete und einen Blogbeitrag daraus gestalten wird, der im Juni auf der Webseite www.musikwelten-nrw.de erscheinen wird (wir werden Sie hier informieren, sobald er verfügbar ist).

Songcontest und Preisverleihung wurden aus Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW gefördert.

(Annette Jakubowicz)

Foto 1 (v.l.n.r.): Volker Schiewer, Dr. Wolfgang Schneider-Barthold, Harald Gesterkamp, Annika Hartmann, Eine Fee, Sabine Thomas, Patrick Jaskolka, Kai Pfundt (Bonner Generalanzeiger), Christian Komorowski (Mitglied der Jury), Prof. Dr. Christine Siegert (Landesmusikrat NRW), Melanie Grabowy, Dr. Almuth Voß (Literaturbüro Bonn), Iris Lamouyette, Mustafa Zekirow und dahinter Marcus Scheltinga mit seiner Frau.
Foto 2: Dr. Almuth Voß, Leiterin Literaturhaus Bonn
Foto 3: Prof. Dr. Christine Siegert, Präsidentin des Landesmusikrats Bonn
Foto 4: Kai Pfundt, Leiter der Wochenendredaktion des Bonner Generalanzeigers
Foto 5: Prof. Dr. Christine Siegert überreicht Iris Lamouyette ihre Urkunde
Foto 6: Volker Schiewer mit Square Neck Dobro Guitar und Kontrabass- und Gitarrenbegleitung
Foto 7: Eine Fee rapt über die Ewigkeitsklausel
Foto 8: Mustafa Zekirow mit "Holllow Sphere" von Marcus Scheltinga
Foto 9: Moderatorin Eva Luise Roth vom Landesmusikrat NRW

Fotos: Andrea Bowinkelmann