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Die Mitgliederversammlung des Landesverbandes der Musikschulen und Kerstin Weuthen über die Studie „Mikado Musik“

Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Landesverbands der Musikschulen NRW am 14. November 2025 in Münster stellte Prof. Dr. Kerstin Weuthen zentrale Handlungsempfehlungen der neuen Studie „Mikado Musik“ vor. Kerstin Weuthen ist Professorin für Musikpädagogik und Prodekanin im Fachbereich Musikvermittlung an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. Die Studie, die in Kürze in Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert wird, widmet sich dem Fachkräftemangel in der Musikpädagogik und untersucht erstmals umfassend die Perspektiven von Schüler*innen, Studierenden sowie Lehrenden an Musikschulen und Musikhochschulen.

Bereits jetzt zeigen die Daten ein deutliches Bild: 74 Prozent der Musikschulen berichten von Problemen bei der Wiederbesetzung offener Stellen. Um die Ursachen besser zu verstehen, verbindet „Mikado Musik“ zwei quantitative Erhebungen, Hochschulstatistiken sowie rund 50 qualitative Teilstudien. Weuthen betonte, dass der in der Studie verwendete „Globe“ die strukturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sichtbar mache, in denen musikpädagogisches Arbeiten heute stattfindet. Im Zentrum ihres Vortrags stand ein Set von Handlungsempfehlungen, mit denen Musikschulen aktiv zur Attraktivität des Berufsfeldes beitragen können. Diese Empfehlungen gruppierte sie entlang verschiedener Herausforderungen der Berufsorientierung und Berufsentwicklung.

1. Wertschätzung der „doppelten Profession“ von Lehrkräften

Weuthen kritisierte ein verbreitetes Narrativ, wonach künstlerisches Arbeiten grundsätzlich höherwertig sei als pädagogisches Handeln. Diese Hierarchisierung schade sowohl der Profession als auch der Identitätsbildung von Lehrkräften.

Empfehlungen:

  • Die doppelte Profession – künstlerisch und pädagogisch – solle ausdrücklich anerkannt werden, etwa in Mitarbeitergesprächen oder durch Veranstaltungen, die Unterricht und künstlerisches Wirken miteinander verbinden.
  • Musikschulen sollten ihren Lehrkräften künstlerische Tätigkeit ermöglichen, z. B. durch klar geregelte Unterrichtsverlegungen.
  • Leitungen müssten Lehrkräfte bei externen Projekten und Wettbewerben sichtbar unterstützen.
  • Regelmäßige kollegiale Werkstätten sowie „Lunch & Learn“-Formate könnten Teamkultur und fachlichen Austausch stärken.

2. Repräsentation des Berufsfelds stärken: „Die kreative, transformative Kraft erzählen“

Weuthen betonte, dass musikpädagogische Berufe nicht an Bedeutung, sondern an mangelnder Repräsentation leiden. Um Nachwuchs zu gewinnen, müsse die gesellschaftliche Relevanz des Berufs sichtbarer erzählt werden.

Empfehlungen:

  • Aufbau einer Erzählkultur in der Musikschule: Social Media, Newsletter sowie monatliche Kurzberichte, die kleine Momente von Kreativität, Lernfreude und persönlicher Entwicklung zeigen.
  • Produktion kurzer Videoportraits oder Podcast-Miniserien, in denen Lehrkräfte über gelungene Unterrichtsprojekte berichten.

3. Gemeinsames Selbstverständnis entwickeln: Musikpädagogik als gesellschaftliche Verantwortung

Musikpädagogik sei weder reine Selbstverwirklichung noch bloße Dienstleistung, so Weuthen. Entscheidend sei der Zusammenhang aus individueller Leidenschaft und gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein.

Empfehlungen:

  • Entwicklung eines gemeinsamen Selbstverständnisses im Kollegium.
  • Die Leitung sollte moderierte Gesprächsräume schaffen, in denen auch Zweifel, Spannungen oder Themen wie Leistungsdruck, Inklusion und Relevanz offen angesprochen werden können.
  • Austauschformate mit anderen Musikschulen und die Beteiligung an kommunalen Kulturentwicklungsprozessen stärken das Bewusstsein für die eigene kulturtragende Rolle.
  • Einladungen von externen Gästen – aus Community Music, Soziokultur oder Wissenschaft – eröffnen neue Perspektiven.
  • Team-Teaching-Formate ermöglichen kooperative Unterrichtserfahrungen und fördern wechselseitige Inspiration.

4. Berufsorientierung stärken: soziale Impulse ermöglichen

Weuthen betonte, dass Berufswahlprozesse junger Menschen im Zusammenspiel von persönlicher Motivation und unterstützenden sozialen Impulsen entstehen. Viele Jugendliche entscheiden sich nur dann für musikpädagogische Wege, wenn sie von Lehrkräften oder Mentor*innen begleitet werden.

Empfehlungen:

  • Schüler*innen so begleiten, dass sie ihren eigenen Weg finden können, ohne sie zu steuern.
  • Eigenständige Miniprojekte fördern, die Verantwortungsübernahme und Kreativität ermöglichen.
  • Gemeinsame Zielvereinbarungen mit Jugendlichen treffen.
  • Lehrkräfte sollten „über ihren eigenen Lernweg und über künstlerische Irrtümer sprechen“, um Berufsrealität nahbar zu machen.
  • Schülerinnen dürfen Lehrkräfte bei Proben und Auftritten begleiten.
  • Beteiligung an Projekten, die unterschiedliche Rollen ermöglichen – nicht nur Performende, sondern Organisator‘innen, Techniker‘innen, Moderierende usw.
  • Fortbildungen zu Gesprächsführung in der Berufsorientierung für Lehrkräfte.
  • Bereitstellung von Materialien oder digitalen Formaten, die Jugendlichen selbstbestimmte Erkundung von Berufsbildern erlauben.

Kerstin Weuthen machte deutlich, dass der Fachkräftemangel in der Musikpädagogik kein rein strukturelles Problem sei, sondern auch eine Frage der Kultur der Wertschätzung, Sichtbarkeit und gemeinsamen Verantwortung. Musikschulen könnten durch gezielte Maßnahmen erheblich dazu beitragen, das Berufsfeld attraktiver zu gestalten – nicht nur durch bessere Rahmenbedingungen, sondern durch eine aktive Erzählkultur, ein gemeinsames Selbstverständnis und engagierte Begleitung von Nachwuchs.

rvz