Navigation für Screenreader Zur Hauptnavigation springen | Zum Seiteninhalt springen | Zur Meta-Navigation springen | Zur Suche springen | Zur Fuß-Navigation springen

Volkstum trifft Kunstmusik im Preisträgerkonzert Jugend musiziert NRW in Köln

Die Zahlen, die Peter Haseley, Wettbewerbsleiter des Landeswettbewerbs Jugend musiziert NRW, am 23. Juni 2019 in der Kölner Philharmonie verkünden könnte, sind schon beachtlich: 355 von 1100 Musikerinnen und Musiker im Landeswettbewerb zogen Pfingsten nach Halle in den Bundeswettbewerb Jugend musiziert. Insgesamt kamen 2900 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland in Halle zusammen. Es waren die Auserwählten von ca. 20.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf Regionalebene. Wer sich das vergegenwärtigt, merkt, dass ein Preisträgerkonzert von Bundespreisträgern aus NRW ein ganz besonderes Konzert ist, so Peter Haseley.

In der Tat erfüllte das Konzert die hoch gesteckten Erwartungen voll und ganz – ja, die Solistinnen, Solisten und Ensembles lösten oft schiere Bewunderung aus. Moderator Daniel Finkernagel fragte nach einigen Interpretationen neugierig nach. Zum Beispiel, woher die 19jährige Tubistin Alexandra Ploenes eigentlich das Lungenvolumen nehme, das sie im virtuosen Solopart des Konzertanten Allegro von Alexander Lebedjew bewies. Das lässt sich trainieren, ist letztlich auch ein Muskelfrage, erklärte die Musikerin cool und demonstrierte, wie man von unten nach oben in den Bauch atmen müsse.

Ist diese Tubistenwelt nicht eine Männerwelt, setzte Finkernagel nach. Im professionellen Sektor schon, schätzte die langjährige Musikerin der Jungen Bläserphilharmonie NRW ein, doch im Amateur- und im Nachwuchsbereich ändert sich einiges. Auch sie möchte auf die professionelle Ebene gelangen. Die zu erreichen wünschte man zumal ihrer Schwester Carolina Ploenes, die den schweren, rachmaninoffnesken Klavierpart des Allegros von Lebedjew mit souveräner Grazie bot. Bemerkenswert virtuos fiel auch das Divertissement aus Gigue et cortège von Wolfgang Jacobi aus, das Jacob Niller auf dem Akkordeon wie in pittoreskes Bauwerk errichtete.

Durch das Programm des Preisträgerkonzerts zogen sich wie ein roter Faden Verbindungen von Volkstümlichen mit Kunstmusik, und es war bezwingend, wie nicht nur die Moderationen, sondern auch die Interpretationen diese Balance herstellten. Das galt für das furiose „Rebonds“ für Schlagzeug Solo von Iannis Xennakis, mit dem Maximilian Fellermann einen Begeisterungssturm auslöste, wie auch für den zweiten Satz aus Péteris Vasks „Gramata cellam“ für Violoncello solo, den Aaron Schröer mit großer Hingabe und einer zu pfeifenden melodischen Partie bot.

Ezgi Yatar, Deniz Demir und Erdem Aktas stellten an drei Bağlamas, Aktas zudem singend, die Dichtung „Dostum Dostum“ von Pir Sultan Abdal aus dem 16. Jahrhundert vor. Das Trio der Musikschule Monheim erläuterte dem Moderator die Botschaft der Dichtung über den Zusammenhalt einer Freundschaft in guten wie in schlechten Zeiten.

Zu Beginn des Konzerts zitierte Daniel Finkernagel Jürgen Habermas mit den Worten „Wenn die utopischen Oasen austrocknen, breitet sich eine Wüste von Banalität und Ratlosigkeit aus.“ Auch wer bezweifelte, dass solche utopischen Oasen, die über die Realität hinweghelfen, wirklich notwendig sind, musste die Zweifel ablegen, als Marie Lina Hanke Händels Arie „Süßer Blumen Ambraflocken“ anstimmte, begleitet von Anna Döhring an der Violine, Niklas Schröder am Violoncello und Daniel Brockmann am Cembalo. Oder wenn Violinistin Hannah Forg und Pianistin Kira Ratner Johannes Brahms’ Scherzo aus der „FAE“-Sonate interpretierten. Oder wenn Cedric Meysing, Franzisca Nauen, Christian Owerdieck, Amina Harbi und Nathanael Ketema mit einem Caprichoso von Carlo Domeniconi für Zupf-Ensemble den Saal wie mit einem klingenden Spinnennetz einwoben. Oder wenn Philipp Frings, Alexandra Althoff und Kerstin Tang das Allegro con brio aus Beethovens Gassenhauertrio so zelebrierten, als wollten sie nun die Verbindung des Volkstümlichen mit Kunstmusik in die Vollendung treiben.

Michael Bender organisierte das Preisträgerkonzert. Jugend musiziert NRW wird als Veranstaltung des Landesmusikrats NRW von den nordrhein-westfälischen Sparkassen und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW gefördert.

rvz

Fotos: Hannah Julie Breiler und Amerie Schlösser am 23. Juni 2019 in der Kölner Philharmonie; Ezgi Yatar und Erdem Aktas warten auf ihren Mitspieler Deniz Demir; Marie Lina Hanke, Sopran, Anna Döhring, Violine, Niklas Schröder, Violoncello, und Daniel Brockmann am Cembalo bereiten sich auf das Preisträgerkonzert Jugend musiziert in der Kölner Philharmonie vor. Jacob Niller interpretiert Wolfgang Jacobi. Fotos: LMR NRW.