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„und so musste ich original werden“: das Kinderorchester NRW in Lindlar

Am 21. Mai endete die Konzerttournee des Kinderorchesters NRW im Kulturzentrum Lindlar vor einem begeisterten Publikum. Im Mittelpunkt des Nachmittags stand das neue Werk von Philipp Matthias Kaufmann „Jojo und die Musikmaschine“. Die musikalische Geschichte für Schauspielerin und Orchester ist im Auftrag des Landesmusikrats NRW entstanden und das Kinderorchester hat mit ihr bereits die Musikfreunde in Bad Salzuflen, Olpe und Lippstadt gewonnen. Jojo ist eine Schülerin und möchte zwei Schüler aus dem Ausland mit Musik aus ihrer Heimat beeindrucken, die sie an einer selbst gebauten Musikmaschine zusammenstellt.

Das Publikum kann die Musikmaschine sehen, denn sie steht vor dem Orchester, ein altes Keyboard, versehen mit allerlei Schläuchen, Zusatzschaltern und Buzzer. Und einem Port zum Direktanschluss des Handys und dessen Musikbibliotheken. Die Schauspielerin Mareike Marx spielte Jojo und sie bot beim Versuch, typisch deutsche Musiken zu einem Pasticcio zusammenzustellen, hinreißende Telefonate mit ihrem Vater, der nicht zu sehen war und dessen skeptische Einwände man nur ihren Antworten entnehmen kann.

Die typisch deutschen Musiken, die Jojo zusammenstellen möchte, bestehen aus dem 2. Satz aus Schumanns dritter, „rheinischer“ Sinfonie, aus Bizets Carmen-Suite, aus Mussorgskys „Nacht auf dem kahlen Berge“ und Weiterem, was eher nationenverbindend denn deutsch anmutet. Es ist Jojos musikalisches Heimat-Empfinden. Der Vater setzt dem die Kaiserhymne des Österreichers Joseph Haydn entgegen, die Jojo nur als „Fußballlied“ kennt.

Philipp Matthias Kaufmann montiert die Bausteine der Musikgeschichte zunächst zu einer munteren Suite, um sie dann gegeneinander zu setzen und die gegensätzlichen Charaktere zum Fresco zu verdichten. Das Kinderorchester hatte dadurch anforderungsreiche Stimmen auf den Pulten stehen, denen es absolut gewachsen war. Manche schwere sinfonische Partie erklang in Originalsatz und -besetzung. Bei anderen Partien hat Kaufmann Vereinfachungen vorgenommen und in der Partitur die originalen Noten vorsichtig in Ossia-Systemen vorgeschlagen. Selbstbewusst entschieden sich die Bläser an etlichen Stellen für die schwerere originale Partie. Wiederum andere Passagen erfordern individuelle Improvisationen von den Musikern, was Dirigent Achim Fiedler mit dem Orchester trainieren musste.

Das Gegeneinanderstellen von Hexennacht, Carmenrhythmen und lyrischen Rheinlandklängen führt zu komplexen Gebilden, bei denen die jungen Musikerinnen und Musiker sehr konzentriert am Dirigenten hängen und ohne Irritation ihre Partien durchspielen müssen. Vorbildlich gelang es dem Kinderorchester unter dem präzisen Schlag Achim Fiedlers und dies auch noch mit großer Klangpracht. Vor allem die Bläserfanfaren Mussorgskys erhoben den ganzen Saal.

Ein besonderer Kniff der Partitur: Wenn Jojo ihr Handy mit der Musikmaschine verbindet oder wenn sie eine SMS empfängt, ertönen die typischen Signaltöne der Mobilfunktechnik, in diesem Fall aber rein akustisch vom Kinderorchester gespielt. Sehr schöne Signale gelangen da im akkuraten Zusammenspiel des Orchesters. Die SMS spielen in der Handlung eine wichtige Rolle. Nicht nur der Vater Jojos meldet sich mit seinen Bedenken zu Wort, auch die Autorisierung eines Komponisten der verarbeiteten Originale erfolgt per SMS.

Kein Geringerer als Joseph Haydn begrüßt die Verarbeitung seines „Fußballliedes“ aus dem Jenseits, bietet doch das Experimentieren mit den musikalischen Bausteinen einen legitimen Weg, wahrhaft „original zu werden“. Das musikalische Erlebnis in Lindlar ließ sicher keinen im Publikum an der Authentizität der Nachricht zweifeln.

Das Kinderorchester NRW wird vom Verein zur Förderung von Landesjugendensembles und dem Landesmusikrat NRW getragen, es wird vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW gefördert.

rvz

Foto: Mareike Marx an der Musikmaschine und Musiker des Kinderorchesters NRW am 21. Mai 2017 im Kulturzentrum Lindlar. Foto: LMR NRW.