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Populärkultur in der Forschung

„Mal sehen, wie das nun wird,“ verabschiedete sich knurrend Hans-Jürgen Wulff, Kieler Professor für Medienwissenschaft, nach der Tagung, „ich habe ja immer 15 neue Projektideen im Kopf, wenn ich von Eurem Verein zurückkomme.“ Gemeint war die AG Populärkultur und Medien, die zusammen mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln und unterstützt vom Landesmusikrat NRW die Tagung „Methoden der Populärkulturforschung“ am 7. und 8. Januar 2011 in Köln ausrichtete.

11 Referenten hatten während der beiden Tage eine Diskussion von Methoden und Methodologie geführt. Was im Programm wie ein spezieller Akademismus anmuten konnte, kam tatsächlich einem dringenden Bedarf nach. Denn die Tatsache, dass die wissenschaftliche Untersuchung von Popkultur nicht etwa vom professionellen Künstler und dem Werkbegriff der klassischen Musikwissenschaft ausgehen kann, sondern einem changierenden Netz von Urhebern, ausführenden Laien- und professionellen Kulturschaffenden, Kommunikatoren, Medien und Rezipienten gerecht werden muss, findet in der Forschung immer noch zu wenig Berücksichtigung.

Seit den 1970er Jahren kamen wichtige Impulse zu adäquaten Forschungsmethoden aus den Disziplinen der Musikpädagogik, der Soziologie, der Ethnologie, der Psychologie sowie der Kultur- und Medienwissenschaft. Denktraditionen und Forschungsperspektiven wie der Post-Strukturalismus, die postmoderne Kultur- und Medienforschung, der Symbolische Interaktionismus sowie die bis heute dominierenden Cultural Studies sorgten in den 1980er und 1990er Jahren für einen Paradigmenwechsel in der Populärkulturforschung.

Heinz Geuen, Prorektor der Kölner Hochschule, konnte 70 Tagungsteilnehmer begrüßen, er und Marcus Kleiner eröffneten die Tagung mit Anmerkungen zum Stand der Methodologie zur Populärkulturforschung. Ihr Ausgangspunkt war die These, dass eine wissenschaftlich-systematische Untersuchung der Populärkultur nicht nur durch Theorien, Geschichtsschreibung und Phänomenanalysen geleistet werden kann, sondern auch eine Methodendebatte benötigt, um Populärkultur als repräsentative Kultur empirisch belegen und differenziert darstellen zu können.

Sodann boten elf Vorträge eine Methodenreflexion anhand exemplarischer Einzelphänomene der Populärkultur – von den Photosharing-Diensten über das Politainment in der Krimireihe Tatort bis zu den Facebook-Aktivitäten von Popfans. Die Referenten waren Lothar Mikos (Potsdam), Mario Anastasiadis (Bonn), Petra Missomelius (Marburg), Olaf Sanders (Köln), Marcus Stiglegger (Siegen), Alexander Geimer (Berlin), Hendrik Buhl (Lüneburg), Holger Schulze (Berlin), Christofer Jost (Basel), Dietmar Elflein (Braunschweig) und Steffen Lepa (Berlin).

Populärkulturforschung muss sich von traditionellen Methoden der Kunstanalyse manchmal lösen. Mitunter war allerdings festzustellen, dass die von den Referenten an Einzelphänomen entwickelten Methoden wiederum auf die Kunstforschung übertragen werden könnten. Steffen Lepa beantwortete die Frage, was das Affordanz-Konzept für eine Methodologie der Populärkulturforschung leisten könne, und untersuchte dabei auch das phänomenologisch-semiotische Problem, was wir eigentlich hören und was den „sound“ ausmacht. Für ihn hören wir Gesamtstrukturen, die auf das Akustische reduziert sind, rein klanglich rezipierte Gestalten. Und dass sich hinter dieser akustischen Reduktion mehr verbirgt, demonstrierte er anhand der Signaltonfolge, die das Betriebssystem Windows ab Version XP erklingen lässt, wenn eine E-Mail den Rechner erreicht.

Das Signal löst bei manchem Hörer einen Aktionsreflex aus und dieser Aktionsreflex ergibt sich auch, wenn er den deutlich älteren Song „No Government“ von Nicolette (1995) hört, der dasselbe Intervall im gleichen Sound mehrfach enthält. Die Sozialisation ist für die Wahrnehmung entscheidend. Zu fragen wäre, ob der Kölner Kunstmusikfreund dann, wenn er Schumanns „Rheinische Sinfonie“ hört, an einer bestimmten Stelle auch den Handlungsimpuls verspürt, den Konzertsaal zu betreten, weil die Kölner Philharmonie die Akkordfolge als Pausenende-Signal verwendet, – und was dies phänomenologisch-semiotisch für das Schumannsche Kunstwerk bedeutet.

Die Ausrichter der Tagung, Michael Rappe (Köln) und Marcus Kleiner (Siegen), moderierten die Referate und Gespräche. Die meisten Vorträge mündeten in rege Diskussionen und es kam nicht von ungefähr, dass die eigentlich vorgesehene abschließende Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse wegen Zeitüberschreitung entfallen musste. Die Tagung wurde gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW über den Landesmusikrat NRW.

rvz