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Kunst und digitale Produktion: Verwertung künstlerischer Inhalte

Das NRW Kultursekretariat lud im Rahmen des Festivals "Next Level 2018 – Festival for Games" am 23. November zu einem Symposium über "Kunst & digitale Produktion" 2018 ein. Während im Erdgeschoss des NRW Forums ein Rundgang durch Spielinstallationen, Verfremdungen von Spielen und Spielen mit künstlerischem Inhalt führte, bot die erste Etage Referate und Diskussionen. Gut besucht war beides, wobei das Publikum des Erdgeschosses deutlich jünger wirkte.

Eine Künstlergruppe mischte die Vorträge und Panels auf: Die performativen Interventionen von Chez Company mit Gesine Danckwart/Can Elbasi und Arne Vogelgesang sorgten gekonnt für Irritationen, auch bei den Protagonisten auf der Bühne. Eines der Panels, "VERWERTUNG & VERGÜTUNG KÜNSTLERISCHER INHALTE", bezog sich ganz auf die Musik. Denn gerade auf diesem Gebiet ist nach wie vor unklar, wie künftig Geschäftsmodelle zur angemessenen Vergütung der Urheber funktionieren sollen.

Die Branche der Games ist von marktbestimmenden Akteuren aus dem Rechtsraum des angloamerikanischen Copyrights dominiert, welche dazu neigen, sich nicht an das kontinentaleuropäische Urheberrecht zu halten. Gerade für Komponisten bedeutet dies ein radikal anderes Wirtschaftsfeld als sie es in Europa sonst gewohnt sind. Michael Aust (SoundTrack_Cologne) ging mit einem Impulsreferat voran und stellte sich dann den Komponisten Matthias Hornschuh (Landesmusikrat NRW) und Johannes Kreidler im Diskurs.

Die Komponisten in Film- und in Games-Produktionen haben der Übermacht der Produzenten wenig entgegenzusetzen, so Aust. In allen anderen Bereichen der Kulturwirtschaft werden die meisten Komponisten Mitglieder in internationalen Verwertungsgesellschaften, die sich um die Erlöse kümmern. Komponisten, die für Games schreiben, erhalten dann meist keine Aufträge. Sie können allenfalls in Gesellschaften Mitglied sein, die gestatten, dass man einzelne Werke aus den Verwertungspaketen herausnimmt. Andere Komponisten schließen sich mit Sounddesignern und anderen zu Partnerschaften zusammen, die als Gruppen lizensieren. Es gibt wenig Rechtssicherheit im Bereich der Musiklizensierung für Spiele. Europäische Komponisten kommen international wenig ins Geschäft.

Dabei räumte Aust ein, dass amerikanische Komponisten in der Games Industrie vernünftig bezahlt werden, anders als es etwa bei vielen Filmprojekten der Fall ist. Wenn der wichtige Markt dabei den deutschen Komponisten weitgehend versperrt bleibt, zählt die GEMA dabei für Aust zu den "Hindernissen" - einer Sicht, der Matthias Hornschuh später widersprach. Seit zehn Jahren führen Vertreter der Branche Gespräche mit der GEMA mit dem Ziel, bestimmte Produktionen und Rechte aus dem Vertretungsanspruch herauszulassen, doch sie haben wenig erbracht. Aus Sicht von Aust hat die GEMA wie bei den Videospielen lange geschlafen. Sie war dann auch nicht darauf vorbereitet, sich mit einer recht kaltschnäuzigen PR der Gegenseite auseinanderzusetzen. GEMA und Spieleherstellern sollten sich wieder an einen Tisch setzen und über die Möglichkeiten der Nachvergütung sprechen.

Die Politik hat sich, so Aust, zu wenige Gedanken über den Bereich der Games und die Urheberansprüche gemacht. Auch über die Online-Plattformen führte sie erst spät Diskussionen. Viele Politiker sehen es positiv, dass man dann, wenn das Urheberrecht schwach ist, eher in dem Markt mitspielen kann. Generell werden die Urheber kaum ernst genommen, die Verbraucher freuen sich hingegen über Gratisangebote. Aust kritisierte auch die Komponistenverbände, die sich zu spät um die Probleme gekümmert hätten. Im Vertrauen darauf, dass die GEMA es schon richten werde, ließen sie YouTube und Co mit Lobbyisten und PR-Beratern eine unglaublich intensive Lobbyarbeit bei der Politik verrichten.

Welche Lösungsansätze bleiben? Man sollte nicht auf Blockchain-Geschäftsmodelle warten. Vielmehr benötigen die Urheber die europäischen Gesetzgeber, die Rechtsgrundlagen für Ausschüttungen schaffen. Die Urheber müssen Lobby-Arbeit leisten und sich nicht auf Verwertungsgesellschaften verlassen. Videospiele waren zu lange Schmuddelkinder der Kulturpolitik. Sie müssen in den politischen Fokus rücken. Man muss die deutsche Branche auch im Ausland präsentieren. Zudem sollte die Branche der Politik Zahlenmaterial zuliefern, mit dem diese argumentieren kann. Es geht letztlich um einen millionenschweren wachsenden Arbeitsmarkt - auch für musikalische Urheber. Geschäftsmodelle, die nur zu Lasten der Urheber gehen, können langfristig nicht funktionieren. Die Verbandsarbeit der Komponisten muss diese Ansätze steuern. Die Verbände müssen dabei stärker zusammenarbeiten und Ressourcen dafür beantragen.

Panel

Matthias Hornschuh berichtete im Gespräch mit Max von Malotki von der Urheberrechtskonferenz der Initiative Urheberrecht im November in Berlin. Die Szene machte einen großen Schritt nach vorn: Hinsichtlich der EU-Urheberrechtsverhandlungen wird jetzt europaweit mit einer Stimme gesprochen. Das europäische Urheberrecht soll ein einklagbares Recht für jeden installieren. Es unterscheidet nicht zwischen groß oder klein. YouTube wächst nur deshalb noch, weil es Inhalte gibt, die die Leute haben wollen, so Hornschuh. Diese Inhalte müssen vergütet werden. "Wir wollen davon einen verbindlichen Anteil und das auf Basis eines geltenden Rechts. Wir haben es hier mit Grund- und Menschenrechten zu tun. YouTube behauptet, nächstes Jahr wegen Artikel 13 zu machen zu müssen - das ist völliger Unsinn", so Hornschuh.

Der Komponist Johannes Kreidler hingegen hinterfragte die Anteiligkeit des Erlöses, die gefordert wird. Auch Ableton Live als generierende Software hätte dann einen Anrecht auf Erlös. Ein guter Buyout-Vertrag ist für ihn auch eine gute Lösung. Dem widersprach Matthias Hornschuh entschieden: Buy-out-Verträge sind keine Lösung, dazu ist der Markt zu komplex. Allerdings räumte auch Hornschuh ein, dass der Bereich der Games wirtschaftlich nach amerikanischen Usancen bereits so gefestigt ist, dass die GEMA da wenig ausrichten könne. Da mag Total Buyout an der Tagesordnung sein, aber in allen anderen Bereichen sei das Prinzip kritisch zu hinterfragen.

Michael Aust schlug Verhandlungslösungen für den deutschen Games-Markt vor. Matthias Hornschuh hingegen erinnerte daran, wie fruchtlos die Verhandlungen der GEMA mit manchen internationalen Playern in den letzten Jahren waren. "Wir müssen auf europäischer Ebene einen urheberfreundlichen Rechtsrahmen installieren. Dann kann man die Frage stellen, wie man die alten Geschäftsmodelle in den digitalen Raum überführen kann."

Christian Esch fragte seitens des NRW Kultursekretariats nach Johannes Kreidlers kritischer GEMA-Aktion. Kreidler hatte ein elektronisches Stück komponiert, das sehr kurz war, aber Tausende an Fremdanteilen enthielt. Die GEMA-Anmeldebögen füllten einen LKW. Kreidler ist Mitglied der GEMA und gleichzeitig ihr Kritiker. Er erkannte aber an, dass sich "der schwere Tanker" in den letzten Jahren durchaus bewegt habe.

Um die Dramatik der Stunde klarzumachen, schilderte Matthias Hornschuh den beispiellosen Lobbydruck, den Google mit Millionen von Dollar und Millionen von E-Mails auf das EU-Parlament ausgeübt hat, um das beginnende Copyright-Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen. Das allein zeige schon, wie berechtigt das Anliegen der Urheber ist. Christian Esch fragte, ob sich der Content der Urheber nicht gerade so verändere, dass das Gesetz der Entwicklung doch wieder hinterher hinke. Hornschuh hingegen sah im Rechtsraum kein Problem, eher bestehe ein hermeneutisches Problem mit Phänomenen von kollektiver Urheberschaft.

Weitere Themen

Das Panel "QUALIFIZIERUNG & VERMITTLUNG" fragte, wie Digitalität in der kulturellen Bildung und in der medienpädagogischen Arbeit eingesetzt wird. Es diskutierten Prof. Dr. Judith Ackermann (FH Potsdam), Torben Kohring (Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW) und Wolfgang Zielinski (Grimme-Institut). Im Panel "DIGITALITÄT & PERFORMANCE" galt das Gespräch den digitalen Mitteln in der künstlerischen Produktion, den neuen Strukturen im künstlerischen Schaffensprozess und den neuen Möglichkeiten einer Reflexion. Evelyn Hribersek (Digitales Musiktheater), Alexander Kerlin (Theater Dortmund) und Sebastian Quack (Invisible Playground) loteten das Feld aus.

"TEILHABE UND KÜNSTLERISCHE PRODUKTION" untersuchte, inwiefern Digitalität in künstlerischen Prozessen vermitteln und die Rezeption lenken kann. Und wie können diese Techniken zur stärkeren Teilhabe an den künstlerischen Ergebnissen führen? Prof. Dr. Sabiha Ghellal (Hochschule der Medien Stuttgart), Matthias Löwe (Creative Gaming, Open Knowledge Foundation) und Prof. Dr. Stephan Schwingeler (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim) erkannten hier viele Chancen, gepaart mit einem gesunden Grad Skepsis.

rvz

Fotos: Vortrag Michael Austs; Johannes Kreidler, Max von Malotki, Michael Aust und Matthias Hornschuh im Gespräch; Tagung "Kunst und Digitalität" am 23. November 2018 im NRW Forum Düsseldorf; Fotos: LMR NRW