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“Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur” – Bericht vom Mitgliederforum des Kulturrats NRW

„Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur“ – unter diesem Titel hatte der Kulturrat NRW am 28.02.2024 seine Mitglieder eingeladen, sich in einem neuen Format, dem so genannten „informellen Forum“, auszutauschen. Die Tagesveranstaltung wurde konzipiert von der im Herbst 2023 neu gegründeten AG Künstliche Intelligenz und fand in den Räumen des Konferenzzentrums der RheinEnergie AG in Köln statt. An die vierzig Interessierte folgten der Einladung und erlebten ein vielfältiges Programm. Aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchteten sechs Impulsgebende u.a. Anwendungsmöglichkeiten in den verschiedenen künstlerischen Sparten, Auswirkungen auf die Produktionsprozesse sowie politische Herausforderungen und ethische Fragestellungen. In seiner Begrüßung betonte der Vorsitzende des Kulturrats NRW, Lorenz Deutsch, die besondere Bedeutung der Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema KI, das auch den Kulturbereich zunehmend und nachhaltig beeinflussen wird.

Den Start machte der Literaturwissenschaftler und Leiter des Literatur-Büros OWL, Karsten Strack, mit einer Präsentation über die Möglichkeiten des KI-Tools ChatGPT. Anschaulich zeigte er, wie sehr die Qualität KI-generierter Texte maßgeblich vom „Prompting“ abhängt, das literarische Expertise erfordert, will man überzeugende Ergebnisse erhalten. Anhand des Generierens eines „Frühlingsgedichts“ führte Strack vor, wie man nach einem zunächst bescheidenen Ergebnis von ChatGPT interessantere Varianten hervorbringt, indem man im „Prompt“ noch Details in die Aufgabenstellung einfügt wie etwa „im Stile von Wolf-Dieter Brinkmann“ oder „zum Thema Arbeitslosigkeit“ oder „in der Form eines Kreuzreims“. Dann können die Ergebnisse immerhin geeignet sein, dem Autor oder der Autorin als Inspirationsquelle zu dienen.

Strack demonstrierte zudem, wie sich eine Geschichte über den Frieden im Stile von Torsten Sträter mit ChatGPT generieren ließe. Wenn das Ergebnis auch nicht gänzlich überzeugte, zeigten einige Lacher aus dem Publikum, dass es zumindest unterhielt. Ebenfalls zur Sprache kam die Möglichkeit, eine KI-Anwendung ausschließlich mit selbst verfasstem Material zu füttern und dann durch „Prompting“ Outputs zu erzielen, die immerhin zur Weiterentwicklung interessant seien.

Es folgte Michael Schwertel, Professor für Medienmanagement an der CBS International Business School in Köln. Sein Thema war die Beschleunigung des Filmprozesses mit Hilfe einer Technologie, die in rasendem Tempo immer besser wird. Dadurch würde die Arbeit von Cuttern, Modellierern etc. deutlich vereinfacht, wobei gleichzeitig deren Expertise unverzichtbar bleibe, um zu überzeugenden Ergebnissen zu gelangen. Die Stadt New York lässt sich mit architektonischen Details für einen Spiderman-Film binnen eines Tages erschaffen. Rucksack-Produzenten erhalten durch solche Tools neue Chancen. KI-Texttools können Arbeiten strukturieren, Interviewleitfäden erstellen, Transkriptionen, Voice-Over-Skripte und Treatments liefern. Pressemitteilungen können mit neuer Effizienz entstehen, selbst Anträge auf Förderung.

Michael Schwertel demonstrierte zudem den Qualitätsfortschritt bei Grafik- und Videotools mit künstlicher Intelligenz. 3D-Animationen können heute schon allein mit Textprompts erstellt werden. Täuschend echte Stimmen sprechen alle Sprachen und definieren so Synchronisation neu. Flüge durch virtuelle Landschaften geben Dokumentarfilmen neue Effekte. Unser Ziel muss es sein, so Schwertel, mit KI besser umgehen und effizienter zu werden. Es gilt, künftige Arbeitssituationen mit positiven Bildern jetzt schon vorzubereiten.

Sowohl Strack als auch Schwertel waren sich einig darin, dass ein gewinnbringender und qualitätvoller Einsatz von Tools generativer Künstlicher Intelligenz ein hohes Maß an Medienkompetenz der Nutzenden erfordert.

Im dritten Vortrag befasste der IT-Spezialist Felix Herrmann sich mit den Potenzialen für Verbände. Die Ausgangssituation sei oft schwierig, denn nur wenige Vereine der Amateurmusik arbeiteten digital und oft seien Routineprozesse schon analog effizient, so eine bloße Digitalisierung des Prozesses eigentlich wenig Vorteile bringe. Chancen böten sich, wenn man die Kommunikation mit den Mitgliedern nicht mehr in Form von Rundschreiben, sondern als personalisierte Mitteilungen gestalten wollte. KI könne hier eine große Hilfe sein. Auch bei der Analyse der vorhandenen Daten über die Mitglieder. KI könne die Auswahl relevanter Daten unterstützen. Verbessern ließen sich auch deren Sicherheit und der Datenschutz.

Herrmann schildert, wie sich mit KI etwa Veranstaltungen effizienter vorbereiten ließen, auch Programme, Texte für Website, Plakate, Social-Media-Vorlagen, Budgetpläne und mehr. Gleichzeitig betonte Herrmann, dass es wichtig sei, die Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse und Wissensstände immer mit im Blick zu halten und dass je nach Zielgruppe gewisse Grenzen gesetzt seien, was die Bereitschaft angehe, sich von KI unterstützen zu lassen.

Dr. Anna Schürmer, Junior-Professorin an der Kunsthochschule für Musik und Tanz Köln, führte in ihrem Vortrag in die Welt der Acoustic Intelligence ein und erläuterte Anwendungsmöglichkeiten Non-humanen Hörens. Dabei thematisierte sie neben den Auswirkungen auf die Schaffung von Musik auch die gesellschaftliche Dimension, wenn beispielsweise die neueste Hör-Technologie in der Polizeiarbeit genutzt wird. Kritisch setzte sich Schürmer damit auseinander, dass die Société des Auteurs, Compositeurs et Éditeurs de Musique – das französische Gegenstück zur GEMA – eine „komponierende“ KI anerkannt hat. Tatsächlich handele es sich lediglich um reproduzierte Daten, schon gar nicht um eine persönliche Schöpfung nach deutschem Urheberrecht. Die Innovation ist das Nichtberechenbare einer Komposition.

Was das maschinelle Lernen angeht, vertrat Schürmer die These, dass es ohne eigentliche Wahrnehmung erfolge. Aber auch das menschliche Hören ist ihrer Meinung nach nicht zu überschätzen. Viele Tiere hören genauer und mit weiterem Frequenzgang. Eine ästhetische Wahrnehmung müsse nicht nur der KI abgesprochen werden, sie sei auch beim Menschen schwierig, letztlich beschere uns die KI hier eine neue Herausforderung der Forschung.

Die Geschäftsführerin des Kunstfonds, Dr. Karin Lingl, berichtete von einer aktuell vom Kunstfonds und der Initiative Urheberrecht in Auftrag gegebenen Studie zum Thema „KI und Bildende Kunst“ und stellte die Fragestellungen vor. U.a. werden bildende Künstler*innen nach ihren Erfahrungen mit KI und ihrem Wissen darüber befragt. Auch ökonomische Herausforderungen (Stichwort Urheberrecht) sind Thema der Studie, deren Ergebnisse am 11. Mai 2024 in Berlin präsentiert werden. Der Umfang der Nutzung KI-generierter Grafiken im Internet ist derzeit nicht bekannt. Die Studie fragt daher auch den Status quo ab. Ist KI eine Erweiterung bestehender Produktionspraktiken, ist sie eine neue Künstlerinnengestalt und damit eine künftige Konkurrenz oder ist sie in erster Linie ein Werkzeug für Jedermann?

Matthias Hornschuh, Komponist für Filmmusik und u.a. Sprecher der Initiative Urheberrecht, hielt ein Plädoyer für einen bewussten Umgang mit den politischen wie gesellschaftlichen Auswirkungen der sich immer rasanter ausbreitenden Nutzung generativer KI. Nicht nur der technologische Fortschritt, den er mitnichten zurückdrehen wolle, sei wichtig, auch der Fortschritt auf rechtlicher und politischer Ebene müsse parallel im Blick gehalten werden. Ebenso dürfe die Dimension der Demokratierelevanz nicht vergessen werden, wofür eine umfassende Medienbildung entscheidend sei.

Er warnte davor, unpassende Begriffe auf die Technik anzuwenden. Begriffe wie Intelligenz, Kreativität, Multimodalität, Partner würden KI vermenschlichen. Vielmehr müsse ein kritischer sachlicher Blick der technischen Entwicklung gelten, damit die Lücke zwischen dem technologischen Fortschritt und der politischen Kontrolle nicht zu groß werde. Das Urheberrechtsgesetz stelle den Menschen in den Vordergrund. Es sei ein Persönlichkeitsrecht, das als Urheber den Schöpfer des Werks ansieht. Es nehme den Schöpfer auch in Haftung, wenn er als Komponist zum Beispiel zu sehr wie Hans Zimmer schreibe. Einer KI könne man eine solche Haftung nicht zuweisen.

Hornschuh wies darauf hin, dass Komponisten derzeit im Wesentlichen von der Verwertung ihrer Werke leben würden. In Deutschland erhalten Komponisten und Textdichter 77 Prozent ihrer Einnahmen durch Verwertungsgesellschaften. Der Output von KI-Anwendungen werde den Markt wahrscheinlich binnen kurzem fluten und diese Einnahme marginalisieren.

Als politische Herausforderung sieht Hornschuh die derzeitige Ausnahmeregelung für das Text and Date Mining im Urheberrechtsgesetz. In der Tat sei sie die fragwürdige Rechtsgrundlage für das massenhafte Füttern der KI-Programme mit geschützten Inhalten. Die Evaluation des Urheberrechtsgesetzes, die für 2025 geplant ist, werde diese Ausnahmeregelung hoffentlich hinterfragen – eine wichtige Aufgabe für die Kulturverbände.

Zum Abschluss des Tages stellte Robert von Zahn das Arbeitsprogramm der AG Künstliche Intelligenz des Kulturrats NRW für das Jahr 2024 vor, darunter die Befassung mit jener anstehenden Evaluation im Urheberrecht und die Thematisierung von Defiziten in Kulturvermittlung im Bereich KI.

Durch den Tag führte Catalina Rojas Hauser. Die Zuschauerfragen moderierte Robert von Zahn.

Catalina Rojas Hauser und Robert von Zahn