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Das Ringen um Anerkennung: Eine Fachtagung in Soest ging der Frage nach, wie außerschulisches Engagement besser gewürdigt werden kann

Am 29. April veranstaltete das Ministerium für Schule und Weiterbildung zusammen mit seinem Landesinstitut für Schule in Soest eine Fachtagung zur Stärkung der Anerkennungskultur in Schulen. Ministerin Sylvia Löhrmann wies in ihrem Einführungsvortrag auf die besondere Bedeutung der Zusammenarbeit von Schule mit außerschulischen Partnern hin und betonte, dass für sie die Öffnung von Schule immer eine große Bereicherung für das Lernen dargestellt habe. Wichtig sei aber auch, dass außerschulisches Engagement von Schülerinnen und Schülern – insbesondere Leistungen in Kultur, Sport oder Jugendarbeit – in der Schule selbst angemessen gewürdigt würden. Dies geschehe noch zu wenig.

Für mehr Möglichkeiten zu einer stärkeren Anerkennung außerschulischer Leistungen hatte sich Ende 2014 der Runde Tisch zur Schulzeitverkürzung ausgesprochen. Diese Empfehlung aufnehmend hat das Schulministerium mit den außerschulischen Partnern und Vertretern des Kulturministeriums im vergangenen Jahr in einer Arbeitsgruppe beraten, wie man zu konkreten Umsetzungsvorschlägen kommen kann, etwa durch ein Beiblatt zum Zeugnis oder durch die Freistellung vom Unterricht, die eine Teilnahme an Wettbewerben oder Orchesterarbeitsphasen ermöglicht.

In Soest sollten nun Beispiele guter Praxis präsentiert und mit Schulvertretern diskutiert werden. Zuvor schilderte Prof. Dr. Thomas Coelen von der Universität Siegen (Departement Bildung, Architektur, Künste) in seinem Vortrag die wissenschaftliche Sicht auf das Zusammenspiel von formellen und informellen Bildungsprozessen in formalen und non-formalen Settings. Er konnte sich dabei auf die 2013 veröffentlichte Studie „Appsolutely smart!“ stützen, in der er mit Kollegen die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen in NRW untersucht hat, sowie auf die Empfehlungen des Zentrums für Eigenständige Jugendpolitik aus dem Jahr 2013. Als wesentliche Punkte, um „Wohlbefinden“ in Lernsituationen herzustellen, listete er auf: Zuversicht in die Zukunft, Selbstwirksamkeit, die Qualität von Beziehungen, Freiraum und freie Zeit, Wahlmöglichkeit und Entscheidungsfreiheit sowie der Zugang zu Lern- und Bildungsorten, also Teilhabe. Beim Begriff der Anerkennung berief er sich auf Axel Honneth und die Kritische Theorie: Anerkennung sei eine konstitutive Voraussetzung für Gesellschaftlichkeit überhaupt. Auch wies er darauf hin, dass die Zeit, die man in der Gruppe der Gleichaltrigen verbringe (zum Beispiel auch im Ganztag), einen bedeutsamen Teil des Bildungsprozesses ausmache.

Die in Workshops vorgestellten Beispiele der außerschulischen Kooperationspartner kamen aus der Freien Jugendarbeit, der Musik, der Kunst und kulturellen Bildung sowie dem Sport. Der Landesmusikrat und der Landesverband der Musikschulen in NRW hatten als beispielhafte Schulen das Leibniz-Gymnasium Essen, das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Hilden und die Kaiserin-Augusta-Schule Köln ausgewählt.

Ein gut funktonierendes und seit vielen Jahren bestehendes Kooperationsbeispiel hatte Dr. Christian de Witt, Präsidiumsmitglied des Landesmusikrats NRW, aus Essen mitgebracht. Jan Meier, Musiklehrer am dortigen Leibniz-Gymnasium, und Fine Mallus, Fachbereichsleiterin Holzblasinstrumente der Folkwang Musikschule, stellten ihr Bläserklassenmodell (5./6. Klasse) mit anschließender Möglichkeit einer Mitwirkung im Mittelstufenorchester (geleitet von einer Musikschullehrkraft) und im Oberstufenorchester (geleitet von einem Schulmusiker) inkl. des Engagements in den Martinsumzügen von Kitas und Grundschulen im Stadtteil vor. Anerkennung seitens des Gymnasiums dokumentieren Zeugnisbemerkungen, die Rücksicht auf Probenzeiten der Orchester bei der Stundenplangestaltung, die Vielzahl von Räumen, die zur Verfügung gestellt werden (7 Räume parallel für den Instrumentalunterricht im 5. und 6. Schuljahr) und eine Urkunde zum Abschlusszeugnis. Auch der Auftritt beim Sommerfest wird von den Beteiligten als Wertschätzung erlebt.

Eva Dämmer, Musikschulleiterin in Hilden und stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands der Musikschulen in NRW, stellte gemeinsam mit dem Schulleiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, das mittlerweile Teil des Evangelischen Schulzentrums Hilden ist, Udo Kotthaus die Entwicklung von einer eigenen in Kooperation mit der Musikschule organisierten Musikklasse mit hohem Verpflichtungsgrad – zum Beispiel hinsichtlich einer langjährigen Mitwirkung im Schulorchester und bei Konzertprojekten – zu unterschiedlichen Musikangeboten im AG-Bereich. Auch hier gibt es als Form der Anerkennung die Schulbefreiung für Orchesterfahrten und an Wettbewerbstagen oder die besondere Ehrung am letzten Schultag vor den Sommerferien („Tag der Ehrungen“) sowie Vorspiel-Möglichkeiten in der Schule.

Ein gar nicht so sehr musikbezogenes, aber dafür besonders pfiffiges Anerkennungsbeispiel präsentierten Andreas Genschel, Musikschulleiter in Leichlingen, und Georg Cremer von der Kaiserin-Augusta-Schule in Köln: Die Extra-Wurst. Nach einer offiziellen Ehrung mit Urkunde für besonderes Engagement folgt eine Anerkennung im inoffiziellen Teil auf dem Pausenhof in Form von Übereichung einer Bratwurst mit Getränk durch einen Schülervertreter mit Schürze und Kochmütze – also durch die Peergroup. Die Musik stellt die Technik-AG der Schule. Als Erkennungszeichen, dass man zum Kreis der Auserwählten zählt, dient ein Armband. Die nicht Ausgezeichneten sind neidisch und überlegen sich, wie sie es schaffen könnten, im nächsten Jahr auch eine „Extra-Wurst“ zu bekommen. Anerkennung durch Exklusion könnte man sagen, wäre das nicht politisch unkorrekt. Eigentlich geht es darum, den Jugendlichen, denen der Elite-Gedanke von Haus aus eher fremd ist, ein positives Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln.

Die Fragen der Schulvertreter im Musik-Workshop bezogen sich häufig auf die Finanzierung von Angeboten. Auch wurde deutlich, dass noch Kommunikationsarbeit zu leisten ist. So war vielen nicht klar, dass der Wunsch nach einem Beiblatt zum Zeugnis von den Schülern selbst kommen muss, zum Beispiel wenn es um besondere Leistungen beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ geht.

Ralph Fleischhauer, Abteilungsleiter im Schulministerium, kündigte am Schluss der Veranstaltung eine Dokumentation der Tagung an und dankte allen Beteiligten. Der Weg, eine bessere Anerkennungskultur zu ermöglichen, werde fortgesetzt.

hs

Link zur Website des Schulministeriums, auf der die Dokumentation eingestellt werden soll:
<link https: www.schulministerium.nrw.de docs bp lehrer termine anerkennungskultur index.html>www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Lehrer/Termine/Anerkennungskultur/index.html

Foto: Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes NRW, bei ihrem Eröffnungsvortrag zur Fachtagung „Eine neue Anerkennungskultur etablieren – wie Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Partnern gelingen“ am 29.04.16 im Landesinstitut für Schule in Soest (© QUA-LiS / Volker Theimann)